Auch ein klares Wort ist Amtspflicht
Lieber Horia Roman Patapievici, wie ich Dir schon in einem persönlichen Brief mitgeteilt habe, lese ich Deine Antwort an Herta Müller auch als Antwort auf meine Kritik an dieser Sommerakademie im Rumänischen Kulturinstitut und antworte Dir - zwar nicht an ihrer Stelle, wohl aber im Einvernehmen mit ihr.
Ich glaube nicht, dass ein Verzicht des Rumänischen Kulturinstituts in Berlin auf die Teilnahme zweier überführter Securitate-Spitzel an einer wissenschaftlichen Tagung deren verfassungsgemäß garantierte Bürgerrechte verletzen würde, auch nicht deren Freiheit zur Berufsausübung. Mögen sie doch ihre Rechte und Freiheiten dort genießen, wo man sie haben will. Man muss sie nicht überall und in allen Institutionen einer Gesellschaft dulden, nur weil es kein Gesetz gibt, das ihren Ausschluss von repräsentativen Veranstaltungen ermöglicht. Der Direktor des Rumänischen Kulturinstituts in Bukarest als oberster Dienstherr sämtlicher Kulturinstitute kann und darf öffentlich mitteilen, dass er in Veranstaltungen der Institutionen, für die er Verantwortung trägt, keine ehemaligen Securitate-Spitzel zu sehen wünscht. Dies sollte doch reichen.
Und wenn es Verlage gibt, die ihre Werke drucken wollen, so mögen sie es tun. Man muss nichts verbieten, um Haltung zu zeigen. Man sollte bloß die Haltung, die man Spitzeln und Hochstaplern gegenüber hat, öffentlich aussprechen. Dagegen hat die EU nichts einzuwenden. Und ich glaube auch nicht, dass es in Rumänien ein Gesetz oder eine Verwaltungsvorschrift gibt, die Dich daran hindern, Dich in Wahrnehmung Deines Amtes gegen ehemalige Securitate-Spitzel und akademische Hochstapler auszusprechen.Ich bin im Gegenteil davon überzeugt, dass es zu Deinen wohlverstandenen Amtspflichten gehört, Dich klar und unmissverständlich zu äußern. Auch weil man Dich für jemanden hält, der aufgrund seiner Überzeugungen und seines intellektuellen Formats dazu in der Lage ist, bist Du in Deinem Amt.Wie Du weißt, habe ich auch Herrn Prof. Dr. Klaus Rüsen gefragt, was er von den beiden Spitzeln auf dieser Tagung hält. Er hat zurückgefragt, wem die Herren Sorin Antohi und Andrei Corbea-Hoisie denn geschadet hätten, ich müsse ihm erst diese Frage beantworten, bevor ich ein Recht habe, mich über deren Präsenz auf der Tagung zu empören. Nun ist mir auch aus hiesigen Diskussionen wohlbekannt, dass noch nie ein ehemaliger Spitzel zugegeben hat, irgend jemandem geschadet zu haben. Es sind zwar aufgrund dieses Spitzelwesens ganze Lebensläufe und Gesellschaften ruiniert worden, aber nie hat ein Spitzel der Stasi oder der Securitate jemandem persönlich einen Schaden zugefügt.
Im Falle des erlogenen Doktors und falschen Professors Sorin Antohi lässt sich zumindest aus seiner "internationalen akademischen Karriere" nach dem Ende der Diktatur ein ganz erheblicher Schaden konstatieren und benennen: All die Studenten, die Herr Prof. Antohi in Budapest promoviert hat, sind um ihre Leistungen betrogen worden, ihre Promotionen sind ungültig. Ja, was tun wir, wenn der ehemalige Spitzel, nachmalige Hochstapler und nunmehrige Direktor dieser Sommerakademie, ganz aktuell das wissenschaftliche Institut, das ihn zum Direktor dieser Sommerakademie ernannt hat, schlicht und einfach selbst erfunden hat? Im Programm steht, er sei Leiter des "Arbor Mundi. Institute for Advanced Study in Intercultural Humanism, Bochum", dieses Institut gibt es nicht, jedenfalls habe ich bei redlichem Recherchieren keinen Beleg für dessen Existenz gefunden. Und mit diesem Institut kooperiert das Rumänische Kulturinstitut Berlin bei der Ausrichtung dieser Tagung. Dürfen wir da nicht laut und deutlich mitteilen, dass sich dieser Mensch in jeder Hinsicht als ein moralisch verkommenes Subjekt erwiesen hat, mit dem wir nie wieder etwas zu tun haben wollen? Wir dürfen es privat tun und wir dürfen es in unseren Ämtern tun. Und es hat niemand das Recht, uns daran zu hindern.Wir brauchen weder hier in Deutschland noch in Rumänien das Strafgesetzbuch, um uns vor ehemaligen Spitzeln zu schützen. Es reicht, dass die Institutionen der Gesellschaft wie des Staates die Zusammenarbeit mit ihnen meiden. Und dass die verantwortlichen Personen in diesen Institutionen öffentlich zu ihren Entscheidungen stehen. Den rumänischen Staatspräsidenten möchte ich sehen, der Dich als Direktor des Rumänischen Kulturinstituts entlässt, weil Du dich weigerst, ehemalige Securitate-Spitzel, Betrüger und Hochstapler im Ausland als würdige Repräsentanten der rumänischen Kultur zu präsentieren. Und wenn deutsche Professoren unbedingt mit solchen Leuten konferieren wollen, mögen sie es auf ihre eigenen Kosten tun.
Mit freundschaftlichem Gruß,
Ernest Wichner
Zur SacheDie Schriftstellerin Herta Müller kritisierte in der Frankfurter Rundschau, dass das rumänische Kulturinstitut ICR zu einer Tagung in Berlin auch den Germanisten Andrei Corbea-Hoisie und den Historiker Sorin Antohi als Referenten einlud. Horia Roman Patapievici, Leiter des ICR, antwortete darauf, berief sich auf "gesetzliche Vorgaben" des rumänischen Staates, die er ungeachtet seiner persönlichen Meinung zu respektieren habe. Darauf reagiert nun Ernest Wichner, Chef des Berliner Literaturhauses.
29.07.2008
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